“Seit der Vereinbarung des Dublin-Systems im Jahr 1990 und dem Inkrafttreten desselben im September 1997 stehen die Dublin-Reformen immer wieder für eine abzulehnende Asylpolitik, für den unmenschlichen Umgang mit Asylsuchenden, für massenhafte Abschiebung, Verantwortungslosigkeit gegenüber Menschen und der Ignoranz von Fluchtursachen. Die Härte dieser Politik der Ausgrenzung wird mit Dublin IV erneut auf die Spitze getrieben.
Im Mai 2016 wurde von der Europäischen Kommission Dublin IV als Vorschlag zur Verschärfung des Asylrechts vorgelegt. Im Frühjahr 2017 soll darüber abgestimmt werden. Das offizielle Vorhaben der Kommission, ein „gerechteres und effizienteres“ Verfahren zu schaffen, bedeutet übersetzt: Konsequentere und unangekündigte Abschiebung Asylsuchender, die Einschränkung des Schutzes unbegleiteter Minderjähriger, sowie des Familiennachzuges, hartes Sanktionieren für Sekundarmigration, also “Weiterflucht”. Dublin IV steht damit in einer Tradition von Entmündigung und Perspektivlosigkeit.
Und detaillierter:
Geflüchteten wird einmal mehr das Recht auf freie Bewegung aberkannt. Flüchten sie von einem EU-Staat in einen anderen, so drohen Sanktionen. Zu diesen zählen die Aberkennung materieller Leistungen und medizinischer Versorgung, das Verwehren der Beschulung Minderjähriger und des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Darüber hinaus drohen Bewegungseinschränkungen und lange Haftstrafen. Asylsuchenden, welche nach versuchter Weiterflucht wieder in den für sie sogenannten „zuständigen Mitgliedsstaat“ abgeschoben werden, wird die Möglichkeit auf ein „faires“ Asylverfahren gänzlich aberkannt.
Durch das Unzulässigkeitsverfahren wird es für EU-Staaten noch leichter, Schutzsuchende in sogenannte „sichere Drittstaaten“ abzuschieben. Zu diesen Drittstaaten gehören angeblich „sichere“ Gebiete wie die Türkei, Libyen und der Kosovo.
Die Möglichkeit für Staaten, trotz dessen Nichtzuständigkeit ein Asylverfahren einzuleiten, wie es bspw. Deutschland für Menschen aus Syrien nutzte, wird abgeschafft. Geflüchtete müssen in den für sie sogenannten „zuständigen Mitgliedsstaat“ abgeschoben werden. Staatenspezifische Regelungen, wie beispielsweise die Gewährung von Kirchenasyl werden damit ausgehebelt.
Unbegleitete Minderjährige ohne Familie in der EU, die sich in einem anderen als dem für sie „zuständigen Mitgliedsstaat“ aufhalten, dürfen nach der Neuregelung dann ebenfalls abgeschoben werden. Diese Einschränkung des Schutzes Minderjähriger verstößt gegen Artikel 22 der Kinderrechtskonvention.
Diese und weitere Regelungen zeigen eindeutig: Von einem gerechteren Verfahren kann nicht die Rede sein.
- Dublin IV schränkt die Bewegungsfreiheit von Menschen noch massiver ein, als es die Asylrechtsverschärfungen der einzelnen Staaten und die vorangegangen Dublin-Reformen konnten.
- Dublin IV nimmt Grundrechte und macht Menschen zu Spielbällen der EU
- Dublin IV entwickelt das europäische Grenzregime weiter und steht für die Militarisierung der EU-Außengrenzen. Selbst die verantwortete Lebensgefahr wird in Kauf genommen.
- Dublin IV ist ein Produkt der vorherrschenden Situation der Ausgrenzung und Unterdrückung und setzt diese radikal fort.
- Dublin IV ignoriert Fluchtursachen und die wirtschaftlichen Verwicklungen der EU-Staaten in diese. Zudem scheint die Historie der kolonialen Machtpolitik und der postkolonialen Ökonomie gegenüber der europäischen Interessenspolitik nicht von Belang zu sein.
Ausgehend von dieser Kritik haben sich in Leipzig Menschen zu einer Kampagne mit dem Titel „inEUmanity“ zusammengefunden. Ziel der Kampagne ist es, gegen diese Verordnung vorzugehen, deren Hintergründe zu benennen und anzuprangern, eine möglichst große Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und durch weite Vernetzung zu bestärken. Eine Vernetzung, welche auch Hürden senken soll, gegen Dublin IV und weitere Grenzpraktiken der EU in Aktion zu treten.
Die Dublin-IV-Verordnung soll schon 2017 beschlossen werden. Es bleibt nur wenig Zeit, um dagegen vorzugehen.
Unabhängig davon, ob es möglich sein wird, Dublin IV zu verhindern, darf diese Verordnung nicht ohne Widerstand bleiben!
Es hat nicht hier begonnen und wird nicht damit enden.”