Kommentar zu weiteren Verschärfungen im Asylrecht (am 10.01) und in der Bedrohung durch Abschiebung

Nach dem Anschlag in Berlin war in Deutschland jener mediale Aufschrei zu verfolgen, welcher nach jedem vermeintlichen Terrorakt die Öffentlichkeit “erschuettert”. Zuerst scheinbare Bestürzung und Empörung in der Presse. Rechtspopulistische, vor allem neu-rechte Gruppierungen ließen mit ihren menschenverachtenden Schmährufen nicht lange auf sich warten.
Doch auch in der Öffentlichkeit wandelte sich der Grundtonus schnell von Beileidsbekundungen mit den Opfern, hin zu rassistisch fundierten Verurteilungen und Diffamierungen aller, die wie der Täter einen Fluchthintergrund haben. Unmittelbar wurde wieder die Abgrenzung zwischen „uns“ und „denen“ laut, die sich auf chauvinistische Gegenüberstellungen von Zivilisation und Barbarei, von Freiheit und Terrorismus oder Aufklärung und Islam stützten.

 

Doch auch die politischen Reaktionen der Regierenden blieben nicht lange aus. Am Dienstag, den 10. Januar, einigten sich Innen- und Justizminister als scheinbare Reaktion auf den Anschlag von Berlin auf eine Reihe von Gesetzesverschärfungen. Elektronische Fußfesseln für als „Gefährder“ eingestufte Geflüchtete, Verlängerung und Erleichterung von Abschiebehaft,
Residenzpflicht (d.h. Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen) und verschärfte Auflagen für Menschen, die falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht haben sollen, gehören dazu. Die innere Sicherheit soll wieder hergestellt werden.
Ein Gesetz, dass bereits seit Oktober 2016 zur Diskussion stand und nun (geradezu “endlich”) eine Legitimation gegenüber der ‘demokratischen Masse’ gefunden hat.

 

 Außerdem hat die Bundesregierung heute beschlossen, dass ab März wieder zur alten Dublin-Praxis zurückgekehrt werden soll. Das bedeutet, dass Geflüchtete Menschen in Deutschland nach Griechenland, das Land ihrer EU-Ersteinreise,abgeschoben werden. Davon wurde die letzten Jahre über aufgrund der menschenunwürdigen und zweifellos lebensgefährlichen Zustände in griechischen Geflüchtetenunterkünften (sofern man Zeltlager ohne ausreichende Grundversorgung im Winter als Unterkünfte bezeichnen kann)abgesehen. Wer sich fragt weswegen dennoch seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen nach Serbien und Ungarn abgeschoben wird muss auf die wirtschaftliche Abhängigkeit Griechenlands einerseits, vor allem jedoch auf die mediale Aufmerksamkeit blicken, die der griechischen Grenze besonders seit Idomeni zu kam.

 

An den Zuständen dort, als auch der Interessenverteilung hat sich nichts geändert,keinerlei Besserung auf den griechischen Inseln ist in Sicht. Weder in Orbans Ungarn noch auf den griechischen Inseln. Dennoch soll nun mehr politischer Druck u.a. auf die griechische Regierung aufgebaut werden – auf Kosten der geflüchteten Menschen. Wir betrachten dies als einen weiteren Schritt in Richtung Re-Etablierung des europäischen Abschiebesystems Dublin und Vorbereitung seiner Reformierung in Form von Dublin 4.

 

Die neue Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Jutta Cordt, steht für eine striktere Abschiebepolitik und fordert, ab sofort Asylverfahren neu aufzurollen, sobald angeblich sicherheitsrelevante Informationen bzgl. einzelner Personen im Raum stehen. D.h.: Wird ein Verdacht geäußert, werden auch Asylgenehmigung und Bleiberecht Geflüchteter Menschen neu überdacht und ggf. revidiert.

 

Dass irgendwann mal irgendwer etwas von der Unantastbarkeit irgendeiner Menschenwürde in unser Grundgesetz gekritzelt hat, scheint längst vergessen. Mit den ersten Abschiebungen nach Afghanistan hat sich die Bundesregierung auch von den allerletzten traurigen Überresten eines angeblich vorhandenen Rechtes auf Asyl verabschiedet.

 

[Dies soll keine Berufung auf das bürgerliche Gesetzbuch und jene oft proklamierte Rechtsstaatlichkeit sein. Denn es sollte greifbar, wenn auch nicht offensichtlich sein, dass unser angeblich demokratisches System schon längst nicht einmal mehr seinen eigenen Minimalansprüchen genügt. Insbesondere dann nicht wenn die sozial Komponente der Verantwortlichkeit eines Staates gefragt ist.]