Redebeitrag: Demo gegen Pegida // Dresden

[Teil1]
“Nun stehen wir erneut den tobenden Massen gegenüber. Oftmals dargestellt als isolierte Extrempunkte der Gesellschaft. Einzelne Reden wie die von Bernd (alias Björn) Höcke mögen uns vielleicht schockieren, doch schauen wir lieber auf den Staat, welcher diese Gesellschaft ummantelt. Bereits hier lässt derselbe Rassismus die selben Tendenzen zur Ausgrenzung feststellen. Dabei werden ohnehin benachteiligte Gruppen der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt. So lassen sich als homogen dargestellte und kriminalisierte Gruppen wie Geflüchtete für unreflektierte Angst instrumentalisieren. Angst vor dem Terror. Angst vor dem sozialen Abstieg. Angst die, staatlich konstruierte Sicherheit einzubüsen. So kam es nach dem Unglück in Berlin als scheinbare Reaktion zu einer Reihe von Gesetzesverschärfungen. Elektronische Fußfesseln für als „Gefährder“ eingestufte Geflüchtete, Verlängerung und Erleichterung von Abschiebehaft, Residenzpflicht (d.h. Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen) und verschärfte Auflagen für Menschen, die falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht haben sollen, gehören dazu. Die innere Sicherheit soll wieder hergestellt werden. So werden die eigentlichen Verantwortlichen für prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse, für massenhaftes Leid und sich zuspitzende Ungleichheit an Wohlstand, Wissen und Ressourcen nicht einmal angesprochen.

[Teil 2]

Sozialer Druck, Konkurrenz und von Abstieg oder Kürzung bedrohte Positionen sind die idealen Triebfedern moderner, neoliberaler Ökonomien. Am Beispiel Ungarn lässt sich wunderbar erkennen, wie die durch jenen öffentlichen Diskurs die Verurteilung eines Menschen zum Terroristen ohne jegliche Beweislage genauso hingenommen werden wie tausende paramilitärische border-hunters oder der Aufbau einer Parteimiliz Orbans. Und der mordende Zaun an der Südgrenze wird nicht zuletzt auch von der EU als Schutzwall gegen Geflüchtete geduldet. Dort wie hier übernehmen selbst Kritiker*innen die Logik eines Staates, der die helfende Hand reicht, der Menschen nach den selbst gesteckten Regeln willkommen heißt – wenn sie sich integrieren – und nach belieben selektiert. Im Zuge der Diskussionen um Aufnahme, Sicherheit, Grenzen und größtmögliche Überwachung und Kontrolle wird jedoch viel zu selten nach Fluchtursachen und dem Verhältnis von Ursachen im globalen Norden zu den Auswirkungen im globalen Süden gefragt. Imperialismus, Kolonialismus, ja Kapitalismus in den Kontext von Flucht zu stellen oder gar der EU den Vorwurf zu machen, nach diesen Mechanismen zu arbeiten steht nicht zur Diskussion. Verständlich, denn es würde wohl die verlogene Rede von unseren europäischen Werten vollends diskreditieren.

Deshalb fordern wir Kritik an den Grundfesten der Festung Europa und den ihr zugrunde liegenden Interessen:
Der Kapitalismus kann nicht bestehen und funktionieren ohne Ausgrenzung und Unterdrückung, ohne Rassismus und Diskriminierung, ohne Selektion und Gewalt, ohne Herrschaft und Patriarchat. Ferner ist die systematische Benachteiligung und Verfolgung von People of Color, allgemein Menschen die nicht der vermeintlichen Norm entsprechenden, kein dummer Zufall, sondern systemische Notwendigkeit. Dass Europa seine Grenzen gegen Schutzsuchende abriegelt, ist nicht die Boshaftigkeit einzelner,sondern das Resultat neoliberaler Wirtschaftspolitik. Die Parteinahme von Justiz und Behörden gegen die Opfer und für die Täter rassistischer Gewalt liegt nicht in der moralischen Fehlbarkeit einzelner Richter*innen begründet, sondern geht direkt aus den Interessen der herrschenden Klassen und der Struktur unseres Staates hervor.
Ob strukturelle Gewalt in Gesetzen oder heute und hier auf den Straßen:

Niemals kann es Herrschaft ohne Unterdrückung geben. Niemals Kapitalismus ohne Rassismus. Und niemals werden Bullen und Staat auf der Seite von Migrant*innen und Antifaschist*innen stehen, stets werden sie abschieben, einsperren und morden.

Besonders die Abschottungspolitik des EU-Grenzregimes ist ein Beispiel für diese Form rassistischen staatlichen bzw. supranationalstaatlichen Agierens.

[Teil 3]
Heute moechten wir deswegen konkret ein paar Worte zur geplanten Reform der Dublin-Verordnungen sagen. Der neuste Eingriff in die Individualität der Menshen durch die EU: Dublin IV. Eine weitere Zeile in der Auflistung der Ursachen für die gewollte Respektlosigkeit so vieler Menschen und für den Tod von Tausenden.
Seit der Vereinbarung des Dublin-Systems im Jahr 1990 und dem Inkrafttreten desselben im September 1997 stehen die Dublin-Reformen für nichts anderes als eine menschenverachtende Asylpolitik, für den unmenschlichen Umgang mit Asylsuchenden, für massenhafte Abschiebung, Verantwortungslosigkeit gegenüber Menschen und die Ignoranz von Fluchtursachen. Die Härte dieser Politik der Ausgrenzung wird mit Dublin IV erneut auf die Spitze getrieben.

[Teil 4]
Im Mai 2016 wurde von der Europäischen Kommission Dublin IV als Vorschlag zur Verschärfung des Asylrechts vorgelegt. Im Frühjahr2017 soll darüber abgestimmt werden. Das offizielle Vorhaben der Kommission, ein „gerechteres und effizienteres“ Verfahren zu schaffen, bedeutet übersetzt: Konsequentere und unangekündigte Abschiebung Asylsuchender, die Einschränkung des Schutzes unbegleiteter Minderjähriger, sowie des Familiennachzuges, hartes Sanktionieren für Sekundarmigration, also “Weiterflucht”.

-Dublin IV steht damit in einer Tradition von Entmündigung und Perspektivlosigkeit.

-Dublin IV schränkt die Bewegungsfreiheit von Menschen noch massiver ein, als es die Asylrechtsverschärfungen der einzelnen Staaten und die vorangegangen Dublin-Reformen konnten.

-Dublin IV eliminiert noch bestehende Grundrechte und macht Menschen zu Spielbällen der EU.

-Dublin IV entwickelt das europäische Grenzregime weiter und steht für die Militarisierung der EU-Außengrenzen. Selbst die verantwortete Lebensgefahr wird in Kauf genommen.

-Dublin IV ist ein Produkt der vorherrschenden Situation der Ausgrenzung und Unterdrückung und setzt diese radikal fort.

-Dublin IV ignoriert Fluchtursachen und die wirtschaftlichen Verwicklungen der EU-Staaten in diese. Zudem scheint die grausame Historie der kolonialen Machtpolitik und der postkolonialen Ökonomie für die europäischen Interessenspolitik nicht von Belang zu sein.

[Teil 5]
Informiert euch und andere. Reflektiert in welchen Blasen ihr euch bewegt und wer nicht informiert wird. Beteiligt euch an den Tagen der Aktion gegen Rassismus, Ausgrenzung und Austerität ab dem 18. März.

Wir haben keine Lust uns in den ignoranten Massen unterzutauchen und treten deshalb auf die Straße um Zeichen zu setzen. Hier und heute gegen die Faschist*innen von Pegida. Doch ist es mit diesem Demonstrieren nicht getan. Wir müssen uns verstärkt darauf konzentrieren die Probleme jener, die von deutschen und europäischen Gesetzen und Wirtschaftsinteressen ausgegrenzt und ausgebeutet werden in das Bewusstsein der (gefühlten) Normalität zurückzubringen. Die Ursachen von Krieg und Armut liegen hier – daher steht es auch in unserer Verantwortung die komplexeren Zusammenhänge zu benennen, sie anzuklagen und anzugreifen!”